Konzept und Realisierung: EXPO2000 Hannover GmbH. K und dem Studio Andreas Heller, Hamburg.
Published on H-Soz-u-Kult (March, 2000)
Deutschland ergreift das Expo-Fieber. Nicht nur Publikationen[1] zum Thema "Weltausstellungen" haeufen sich. Auch in der Praxis sind viele deutsche Staedte und Regionen an der Durchfuehrung dieses Mammutprojekts beteiligt. Vor allem hat sich die Expo in Hannover, die am 1. Juni ihre Pforten oeffnet und bis 30. Oktober die Welt zu Gast hat, ein ehrgeiziges Thema zu eigen gemacht--ein Thema, das seit der internationalen Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 in der Agenda 21 seinen Niederschlag gefunden hat und auf dem Prinzip der "Nachhaltigkeit" basiert. So geht es um "Mensch--Natur--Technik", mithin nicht mehr um technischen Fortschritt, sondern um die begrenzten Ressourcen der Natur und die Zukunft des Menschen im 21. Jahrhundert. Zudem scheint es, dass die Aufbereitung dieser Problematik die Praesentation verschiedener Loesungsangebote nicht ohne Grund in die Haende eines Landes gelegt worden ist, das seit geraumer Zeit von einer zur Partei gewordenen Umweltbewegung mitregiert wird. So wird Deutschland zum ersten Mal eine aktive und zentrale Rolle in der Geschichte der Weltausstellungen spielen. Zwar beteiligte es sich bisher an diesen, indem es dort deutsche Produkte praesentierte, selbst hat es aber noch nie eine ausgerichtet, d.h. es war noch nie gastgebendes Land gewesen. Mit der Expo2000 reiht sich Hannover ein in den Club der grossen europaeischen (Haupt)staedte, wie London, Paris, Antwerpen, Bruessel, Barcelona, Lissabon etc., die sich, wie beispielsweise Paris, in den letzten 150 Jahren, zu professionellen Organisatoren von Weltausstellungen entwickelt haben. <p> Diese Geschichte der Weltausstellungen in konzentrierter Form der Oeffentlichkeit vorzustellen, hat sich die Wanderausstellung "einfach gigantisch--gigantisch einfach. 150 Jahre Faszination Weltausstellung" zum Ziel gesetzt. Gigantisch ist da allerdings nicht viel und man koennte versucht sein, den Ausstellungsort, die Zeche Zollverein Schacht VII in Essen, als das Gigantischste an diesem Unternehmen zu bezeichnen. Es ist ein zum Museum und Designerpark gewordenes Gelaende, das seine ganz eigene Geschichte zu erzaehlen hat, die der Foerderturm am Eingang der Zeche auf eine imposante Weise repraesentiert. Im Vergleich dazu wirkt die in der Halle 5 zu besichtigende Ausstellung geradezu kleinlich. Es fehlt ihr gerade das, was sie vermitteln will--Faszination. Schon beim Betreten der Halle ist man enttaeuscht, denn von attraktiver Gestaltung ist dort nicht viel zu sehen. Zunaechst sind da nur sechs Stellwaende aus Plexiglas, abwechselnd in den Farben orange und gruen und eine Ordnung oder Reihenfolge ist fuer die Besucherin und den Besucher nicht auf Anhieb ersichtlich. Den Besuchern wird beim Eintritt ein einfacher Zettel ausgehaendigt, der eine Skizze mit knappen Erlaeuterungen ueber den Verlauf und die Gliederung der Ausstellung enthaelt; eine "gigantisch einfache" Stuetze, ohne die aber die Konfusion perfekt waere. <p> Zwar suggeriert dieser Handzettel eine chronologische Darstellung der wichtigsten Weltausstellungen von 1851 bis heute, de facto praesentieren die Stellwaende zusammen mit den wenigen originalen und nachgebauten Exponaten eine bisweilen verwirrende Mischung aus thematischer und chronologischer Anordnung. Nur ein Beispiel: die erste Wand beschreibt in Wort und Bild die erste und zweite Londoner Ausstellung von 1851 und 1862 und die Pariser Antworten von 1855 und 1867. Unvermittelt sieht sich die Besucherin einem Werk des Impressionisten Rodin gegenueber, der aber nicht vor 1900 auf einer Weltausstellung vertreten war. Obwohl die Tafelwand darauf hinweist, dass dies nur ein Ausblick auf 1900 ist, wird nicht klar, warum es ueberhaupt an dieser Stelle plaziert werden musste. Es haette deutlicher gemacht werden muessen, dass die Avantgardisten, darunter auch Rodin, schon in den 1860er Jahren kuenstlerisch taetig waren, dass ihre Kunst jedoch vom Komitee "als skandaloes" abgelehnt worden war. <p> Auch die Praesentation von Gegenstaenden des Kunsthandwerks (Korbstuhl, Stehleuchte, Stuhl mit Ledergurten von der Pariser Weltausstellung von 1867) oder einem Modell der Maschinenhalle in Paris 1889, die damals die weltweit Groesste ihrer Art war, wirkt einfach hingestellt, so dass die damit verbundenen Neuigkeiten und Superlative dem Besuchern nicht unmittelbar einleuchten. Zur Auflockerung sollen Diaserien, Stereoskopien und Filme beitragen, wobei technische Maengel die Sache eher zu einem Aergernis als zu einem Genuss werden lassen. <p> Sobald man den historischen Teil hinter sich gebracht hat und in der Abteilung, in der sich NRW mit seinen Beitraegen fuer die Expo2000 darstellt, angelangt ist, wird es auch wieder interessanter und verstaendlicher. Aehnlich auch der letzte Teil, in dem auf vier Saeulen symbolisch die Elemente beschrieben werden, auf denen die Weltausstellung in Hannover beruht: die Teilnehmer, der Themenpark, die weltweiten Projekte und das Kultur- und Ereignisprogramm. <p> Im ganzen geraet die Darstellung eines an sich so faszinierenden Themas wie die Weltausstellungen zu einen lediglich mittelmaessigen Unternehmen, und es bleibt nur zu hoffen, dass diese Wanderausstellung, die demnaechst noch in Hamburg zu sehen sein wird, nicht ihre Schatten vorauswirft auf das, was uns im Sommer in Hannover erwartet. <p> Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Maerz in Essen bei geringen Eintrittspreisen (5,-/3,- DM) zu besichtigen. Anstelle eines Ausstellungskatalogs ist ein Sonderheft der Zeitschrift Damals[2] erschienen, worin in vierundzwanzig, kurzen und bunt illustrierten Beitraegen die wichtigsten Aspekte der verschiedenen, grossen europaeischen und amerikanischen Weltausstellungen zusammengefasst sind. Eine Internetpraesentation, die viele Maengel der Wanderausstellungen haette wettmachen koennen, fehlt leider voellig. <p> Anmerkungen: <p> [1]. Es seien nur einige genannt: Weltausstellungen im 19. Jahrhundert, Comparativ, Heft 5/6 (1999), hrsg. Eckhardt Fuchs; <cite>World Fairs and Exhibitions, National Identities</cite> (Special Issue), 1.3. (1999), hrsg. v. Elfie Rembold; Thomas Schiefers, <cite>Fuer den Abriss gebaut? Anmerkungen zur Geschichte der Weltausstellungen</cite>, (ardenkuverlag) Hagen 1999. <p> [2]. Einfach gigantisch. 150 Jahre Faszination Weltausstellung, 30. Jg (mit einem Vorwort von Birgit Breuel).
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March, 2000.
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