Die elektronische Bibliothek. Literatursuche und Literaturbeschaffung im Internet. K.G. Saur.
Published on H-Soz-u-Kult (September, 1999)
Die Liste der fuer die Wissenschaft nutzbaren Internetadressen ist lang, sich einen Ueberblick zu verschaffen schwer oder zumindest zeitaufwendig. Wer sich der mittlerweile ebenfalls zahlreichen Adressensammlungen bedient, fuehlt sich ebenso schnell an die Hand genommen wie wieder allein gelassen. Gar nicht oder nur unzureichend kommentiert sind hier meist ganz unterschiedliche Formen von Informationsangeboten zusammengefasst: da finden sich institutionell betreute Datenbanken neben von Privatpersonen oder kommerziellen Anbietern ins Netz gestellten Angeboten. Besonders bei letzteren faellt es schwer, die Seriositaet und damit auch die wissenschaftliche Verwertbarkeit der Informationen zu pruefen. Vorausgesetzt werden kann sie nicht und die Anbieter der Adressenlisten geben kaum diesbezuegliche Hinweise oder Erlaeuterungen. <p> Zudem werden selbst wohlwollende Nutzer bald Hilfestellungen vermissen, wenn sich so wesentliche Fragen stellen wie "Welche Informationen genau liefert die Datenbank?" oder "Welche Moeglichkeiten der Recherche gibt es hier?". Von den Problemen bei der Arbeit mit den so unterschiedlich ausgestatteten Dokumenten und Datenbanken ganz zu schweigen. <p> Hans Hehls juengst erschienenes Buch "Die elektronische Bibliothek" setzt an diesem Punkt an. Der Autor fasst seine in anderen gedruckten und digitalen Publikationen gesammelten Kenntnisse und Erfahrungen zusammen, um den Leser tatsaechlich an die Arbeit mit Datenbanken heranzufuehren. Wissenschaftler aller Fachrichtungen und mit ganz unterschiedlichen Vorkenntnissen finden hier nuetzliche Informationen. Dementsprechend ist Hehls Anleitung weniger fuer eine fortlaufende Lektuere konzipiert, die einzelnen Kapitel befassen sich mit speziellen und sinnvoll ausgewaehlten Fragestellungen von Internet- und Datenbanknutzern. <p> Der erste Teil des Buches beschaeftigt sich dem Problemen "Internet" und "World Wide Web" allgemein. Es folgt eine einfuehrende Anleitung fuer die Arbeit mit den allgemein gebraeuchlichen Browsern "Netscape Navigator" und "Netscape Communicator". Dies geschieht auf gut verstaendliche und klar nachvollziehbare Weise, stoerend sind allein die gelegentlich einfliessenden Fachtermini, die den unbedarften Leser, an den sich eine derartige Einleitung richtet, verschrecken duerften. In klar gegliederten Arbeitsschritten werden ausserdem verschiedene Moeglichkeiten der direkten Internetrecherche erlaeutert, so zum Beispiel die Suche nach Online-Datenbanken von Bibliotheken, Verlagen oder auch die allgemeine thematische Suche. Zudem empfiehlt Hehl bestimmte Suchmaschinen und Metacrawler und nimmt den Nutzern so weitere, nur mit Erfahrung und Vorkenntnissen zu treffende Entscheidungen ab. <p> Fuer jeweils eines der folgenden Kapitel koennen sich diejenigen entscheiden, die entweder ueber den WWW-Zugang recherchieren wollen oder die Zugang ueber eine Telnet-Verbindung bevorzugen. Hier sind bestimmte Vorkenntnisse in der Nutzung der jeweiligen Software vorausgesetzt, da den generellen Erlaeuterungen jedoch gut illustrierte Beispiele folgen, duerften sich auch wenig erfahrene Nutzer zurechtfinden. Schon hier werden die ersten wichtigen Internetangebote vorgestellt. Unverstaendlich bleibt allerdings, warum Hehl beispielsweise nur den Telnet-Zugang zur Library of Congress empfiehlt und erlaeutert, wenn man doch eine Gewoehnung der meisten Nutzer an die WWW- Zugaenge und eine entsprechende Software-Ausstattung vermuten sollte und diese Variante ebenfalls passabel funktioniert. Schon deshalb haette der durchaus wertvolle Hinweis auf die Vorteile der Telnet-Recherche um Informationen ueber den WWW-Zugang ergaenzt werden sollen. <p> Die Abschnitte "Bibliographische Datenbanken im Internet", "Elektronische Publikationen" und "Online-Bestellung und elektronische Lieferung" stellen dann eine Vielzahl von Datenbanken, Veroeffentlichungen im Netz und die wichtigsten Lieferdienste vor. Speziell bei den ersten beiden Kapiteln waere sicher eine Sortierung oder Aufschluesselung der Datenbanken nach Fachrichtungen sinnvoll gewesen: Nun erfaehrt der Geisteswissenschaftler erst waehrend der Lektuere des Abschnitts ueber "ICTP", dass es sich hier um eine vom Internationalen Zentrum fuer Theoretische Physik betreute und damit fuer ihn irrelevante Datenbank handelt. Bei anderen, so zum Beispiel bei Springer Link, fehlt die inhaltliche Bestimmung und damit auch Eingrenzung der Empfehlung auf naturwissenschaftliche Themen voellig. Ebenso ist unklar, warum Hehl nur eine der drei von Springer angebotenen Recherchemoeglichkeiten in den Springer-Link-Daten empfiehlt: neben PowerSearch gibt es auch noch GlobalSearch und LinkSearch, die Hehl weder begruendet ausgrenzt noch ueberhaupt erwaehnt. <p> Die einzelnen Datenbankbeschreibungen sind gut nachvollziehbar, der allgemeinen Arbeitsanleitung folgt jeweils ein Recherchebeispiel. Beide werden durch viele screenshots illustriert und dadurch noch besser verstaendlich. Ausserdem werden die hier ausgewaehlten Datenbanken durch Listen am Ende der einzelnen Kapitel ergaenzt, deren Hilfeleistung dann allerdings nicht ueber die anderer Adressensammlungen hinausgeht: Es fehlt jeglicher Hinweis zu Datenbestand und Bedienung. <p> Am Ende des Buches stehen folgerichtig und auch fuer erfahrenere Nutzer aufschlussreich Hinweise zur digitalen Weiterverwertung der recherchierten Daten. Auch hier beschraenkt sich Hehl auf Wesentliches, um die Uebersichtlichkeit zu erhalten: er stellt die wichtigsten Dateienformate vor, nennt die bekanntesten Entpackungsprogramme, und beschreibt Entpackung und Download am Beispiel. <p> Die dem Buch beigelegte Diskette liefert wesentliche Teile des Buches im HTML- Format und bietet eine weitere Arbeitshilfe: oeffnet man sie im eigenen Internet-Browser, erscheinen die von Hehl behandelten Adressen als links, so dass der Nutzer, geleitet von den Erlaeuterungen direkt auf die einzelnen Datenbanken zugreifen kann. <p> Entstanden ist eine sehr umfassende und uebersichtliche Hilfestellung, wozu auch die Gestaltung des Buches, wie zum Beispiel die farbliche Hervorhebung wichtiger Hinweise, beitraegt. Das groesste Problem ist sicher der fachuebergreifende Anspruch. Schon durch die Gewichtung der Angebote wird die Unterschiedlichkeit der Standards in den verschiedenen Faechern anschaulich dokumentiert, ohne wie gesagt einen unkomplizierten fachspezifischen Zugriff zu erlauben. Denn auch das Register hilft eher dem 'eingearbeiteten' Nutzer, andere duerften sich unter unkommentierten Kuerzeln wie GPN, JADE oder WTO wenig vorstellen koennen. <p> Wuenschenswert waere eine staerkere Praesenz des Problems "Nichtautorisiertes Wissen" gewesen: Hehl weist zwar eingangs darauf hin, liefert jedoch keine Anleitung fuer den Umgang mit Informationen aus dem Internet. Hinzu kommen Faelle wie der Abschnitt "Auffinden von WWW-Seiten", in denen er aus einer Liste von Internetangeboten eines auswaehlt, ohne diese Entscheidung fuer den Leser transparent zu machen, so dass er unfreiwillig Beliebigkeit suggeriert. Aber auch die kommentarlose Empfehlung von Volltextdatenbanken wie "Projekt Gutenberg" haette zumindest eines Hinweises auf die Nicht-Zitierfaehigkeit der dort verfuegbaren Texte bedurft, die die Datenbank fuer wissenschaftliche Zwecke selten brauchbar macht. <p> Ein mit dem Gegenstand notwendig einhergehendes Problem hebt Hehl gleich in seiner Einleitung hervor: "Da das Internet ein schnellebiges Medium ist, kann diese Schrift in vielen Einzelheiten nur einen vorlaeufigen Charakter haben: Adressen von Webseiten aendern sich, freie Zugaenge verwandeln sich in zugangsbeschraenkte, manche Webserver stellen ihren Dienst ein, Umfang und Darstellungweise von Datenbanken variieren usw. Der Leser muss also damit rechnen, dass manche der hier besprochenen Datenbanken nach einiger Zeit sich anders darstellen und z.B. auch andere Suchergebnisse bei einzelnen Suchbeispielen liefern, von wichtigen Neuerungen ganz zu schweigen."--Dem Leser und Nutzer der beiliegenden Software wird bald klar, wie schnellebig das Medium ist: Hehls Buch ist Anfang 1999 erschienen und schon jetzt stoesst man auf die ersten Veraenderungen: Die Datenbank LIBRIS kuendigt ihre Ueberarbeitung fuer den Herbst 1999 an. Gibt man die Adresse des empfohlenen "Verzeichnisses der deutschsprachigen abfragbaren Kataloge und Institutionen" der Universitaet Hannover ein, wird man derzeit noch weitergeleitet und gleichzeitig auf die neue Adresse hingewiesen: www.grass- giss.de/bibliotheken/ . Schon bald kommt der Gedanke auf, ob eine so engmaschig aktualisierungsbeduerftige Anleitung im Medium Buch optimal aufgehoben ist. Denn so bleibt die bestaendige Veraenderbarkeit ein entscheidender Vorteil der eingangs erwaehnten Adressensammlungen, auch wenn diese ihn nur in wenigen Faellen durch anhaltende Pflege ihrer link-Sammlungen nutzen.
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Citation:
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H-Soz-u-Kult, H-Net Reviews.
September, 1999.
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